Dr. Gertrud Freifrau von Lotzbeck gestorben

Ein erfülltes Leben ging zu Ende

Am Morgen des 29. Oktober starb Baroness von Lotzbeck im Alter von 86 Jahren nach langem, mit viel Geduld ertragenen Leiden. Ihre langjährige "rechte Hand" und Cousine Christa Freifrau Groß von Trockau war an ihrem Sterbebett, die Baroness schlief in ihrer gewohnten Umgebung im Schloss Nannhofen für immer ein.

Eine große Trauergemeinde nahm am vergangenen Dienstag Abschied von Dr. Gertrud Baroness von Lotzbeck auf Nannhofen, Hardt und Weyhern. Die größte Kirche der Gemeinde Mammendorf vermochte es gerade, die Gäste zur Trauerfeier angemessen aufzunehmen. Schon der Reigen an Trauerrednern, die in bewegenden Worten immer wieder neue Facetten der Persönlichkeit der Verstorbenen beleuchteten, zeigte, wie vielseitig engagiert die Baroness in Betrieb, Gemeinde und weit über den Landkreis hinaus war. Doch sie wirkte lieber leise im Hintergrund, wie ihre Cousine bestätigte.

Sie, die die Landwirtschaft für die Güter ihrer Eltern von der Pike auf gelernt hatte, erfüllte sich später einen Lebenstraum, studierte Medizin und praktizierte auch eine Reihe von Jahren als Kinderärztin in München. Doch als die Betriebe der Güter-Administration nach ihrer Führung riefen, war sie zur Stelle - und erfüllte sich mit dem Aufbau einer Trakehnerzucht einen zweiten Lebenstraum. Über ihren Onkel, den Jagd- und Olympiadressurreiter Major Eugen Freiherr von Lotzbeck, kam die junge Baroness zu Pferden und dem Reitsport. Eine Zufallsbegegnung im Gestüt Schmoel machte dann aus der Reiterin eine engagierte Trakehnerzüchterin. Enge Verbundenheit hielt sie in züchterischen Fragen stets mit Dr. Fritz Schilke, dem unermüdlichen Motor des Wiederaufbaus der Trakehnerzucht nach dem Kriege. Aus reiterlicher Sicht war Baroness von Lotzbeck eine Verfechterin der klassischen Dressur; bis ins hohe Alter nahm sie noch regelmäßig Unterricht, um ihren Sitz und ihre Hilfengebung zu perfektionieren. Ihre große Liebe galt dem blutgeprägten Pferd, dessen Sensibilität zu schätzen sie bereits ihr früher Reitlehrer Hans Hecker aus München lehrte.

Auch als Besucher ihres Trakehnergestüts - auf dessen Erfolge sie sehr wohl stolz war - konnte man kaum ahnen, welche Ehrungen ihr schon zuteil wurden. Von der Einführung des Delegiertensystems an, 1976, übernahm sie das zuvor schon ohne Titel längere Zeit ausgefüllte Amt der Zuchtbezirksvorsitzenden in Bayern, das sie - wie alle übernommenen Aufgaben - mit großem Verantwortungsbewusstsein, preußischer Disziplin und Unbestechlichkeit ausübte. Ihre direkte, ehrliche und dennoch herzliche Art vermisst man im heutigen Zuchtgeschehen ebenso schmerzlich wie ihre beständige Achtsamkeit auf das Wohl des Pferdes.

Das Gestüt Nannhofen wurde rasch zu einem der bedeutendsten bayerischen Trakehnergestüte der Nachkriegszeit und kann heute auf eine 50-jährige Geschichte zurückblicken. Hier wirkte der Vollblüter Pindar xx segensreich für die Zucht, hier sorgte der grandiose Webelsgrunder Kassio für durchschlagenden Erfolg in züchterischer und reiterlicher Arbeit. Das Gestüt Nannhofen zählte zu den ersten Adressen der Trakehnerwelt, die Pferde gingen nicht nur in deutsche Züchter- und Reiterhände, sondern waren auch bei Käufern aus USA, Kanada, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden beliebt und begehrt.

13 Hengste aus eigener Zucht und vier aufgezogene Hengste stellte Baroness von Lotzbeck erfolgreich zu den Trakehner Körungen in Neumünster. Die größten Erfolge waren ihr dabei mit dem mächtigen schwarzen Waldzauber und den beiden Füchsen Grimsel und Gelria beschieden, die allesamt großen Einfluss auf die Gesamtzucht nahmen. Stuten aus Nannhofen gehörten bayern- und bundesweit zur Elite der Zucht, hier wurden unter vielen anderen die DLG-, Bundessieger- und Elitestute Griseldis, die Landesschau-Siegerin Lillemor und Zuchtperlen wie Kornweihe, Waldlicht, Liuba und Larthi gezogen. Die bayerischen Landesschauen der siebziger und achtziger Jahre waren geprägt von den wie aus einem Guss mit überragendem Gangvermögen brillierenden Familiensammlungen aus Nannhofen.

Auch im Sport hatten Nannhofener Pferde ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, Walzerprinz in den USA, Legat und heute noch Komedo und Lafredo etwa waren bzw. sind erfolgreich in den Dressurvierecken der Klasse S; Wanderer, Walliser und Lirurg beispielsweise sammelten Schleifen in Springparcours bis zur Klasse M.

Der Trakehner Verband ehrte Baroness Lotzbeck für ihre Verdienste bereits 1983 mit der "Goldenen Ehrennadel", 1987 erhielt die Baroness die "Freiherr-von-Schrötter-Medaille". 1986 berief der Verband mit Baroness von Lotzbeck eines seiner verdienstvollsten Mitglieder zum Ehrenmitglied.

Wir verneigen uns ehrfürchtig vor der großartigen Leistung, dem vielseitigen caritativen Wirken und der engagierten Mitarbeit in der Lokalpolitik, mit der Baroness von Lotzbeck sich in aller Stille die Anerkennung, den Respekt und auch die Liebe vieler Menschen in ihrer näheren und weiteren Umgebung erarbeitet hat.