In Nannhofen genutzte Hengste

Das Renommee einer Zuchtstätte steht und fällt mit den aufgestellten Beschälern. Und so heißt es in der Regel auch vom Gestüt Nannhofen: "Kassio mal Pindar war das Erfolgsrezept" (Dr. Schilke), was natürlich nur die halbe Wahrheit ist. Es gilt denn auch die Aufstellung des ersten eigenen Beschälers, des Vollblüters Pindar xx, als der eigentliche Beginn des Gestüts Nannhofen.

Der nervige Fuchs, mit dem man im holsteinischen Schmoel nicht so recht glücklich wurde, war es also, der der kleinen Stutenherde des jungen Gestüts seinen prägenden Stempel aufdrückte. "... es ist sicher das persönliche Verdienst von Frau Dr. G. v. Lotzbeck, diesem Hengst zu einer nachhaltigen züchterischen Entfaltung verholfen zu haben, indem sie die richtigen Stuten für ihn aussuchte und die nötige Geduld und Umsicht aufbrachte, um Pindars hohe Qualitäten an Adel, Nerv und Trockenheit für die Trakehner Zucht in größerem Umfang wirksam werden zu lassen." (Dr. Schilke) Pindar xx war hart leistungsgeprüft: In fünf Rennsaisons von 1951 bis 1955 lief er 35 Rennen, zum Teil in Belgien. Elf dieser Rennen konnte er gewinnen, bei allen anderen kam er noch immer im Geld an.
Zwei seiner Söhne fanden den Weg in die Trakehnerzucht, der harte und sehr springveranlagte Goldtopas (geb. 1963 a.d. Gondel v. Halbmond) entstammt der Zucht des Gestüts Nannhofen. Über seinen genialen Enkel Ibikus setzte sich der in Schmoel gezogene Pindar-Sohn Loretto ein wohl so schnell nicht verblassendes Denkmal. 24 Pindar-Töchter, die meisten davon aus Nannhofener Zucht, verankerten das Erbe des harten, sich gut bewegenden Vollblüters auf der Mutterseite.

Pindar xx

Foto: unbekannt

Pascha des Gestüts war immer Kassio, der 1966 die Beschälerbox in Nannhofen bezog; Kassio mal Pindar xx war das Erfolgsrezept dieses Gestüts, das eine Reihe hervorragender Pferde entstehen ließ. Seinen ausgeprägten Typ, großen Rahmen und das stämmige, korrekte Fundament vererbte er dominant. Kassio lieferte insgesamt 14 gekörte Söhne, fast alle aus Nannhofener Zucht, aber auch in der bayerischen Landespferdezucht ist sein Ansehen groß." (Dr. Schilke)
Kassio gelangte nach dem Tod von Pindar xx bei der Körung 1965 in das Gestüt Nannhofen und wirkte dort bis zu seinem Tod im Jahre 1983. Hier kamen ihm schwierige Aufgaben zu: Er sollte sowohl mit den eigentlich für Pindar xx passenden Altstuten als auch mit den jungen Pindar xx-Töchtern gute Nachzucht liefern, sollte bei letzeren Charakterfestigkeit, Solidität und Rahmen durchsetzen, ohne Adel, Nerv und Trockenheit des Vollblüters zu verwischen, und sollte schließlich auch für zusätzliche Deckeinnahmen mit Stuten der bayerischen Landeszucht sorgen. Dass der Hengst dieser vielseitigen Aufgabenstellung gewachsen war, bestätigt seine Ausnahmequalität, die mit einem Reservesieg bei der Bayerischen Zentralkörung 1967 unterstrichen wird.

Kassio

Foto: Hengstbuch

Als zweiter Beschäler stand von 1972 bis Anfang 1980 der mittelgroße, in jeder Beziehung korrekte, aber in seinem Aussehen und Auftreten schlichte braune Cornelius im Gestüt. Seine innere Ruhe und Gelassenheit, die wenig aufwendigen, taktvollen und räumenden Bewegungen hat er seinen Kindern mitgegeben und war ein nützlicher, wertvoller Faktor in der Zucht." (Dr. Schilke)
Nachdem Kassios erste Töchter zu auswärtigen Beschälern geschickt wurden, gelang 1972 der Ankauf des Junghengstes Cornelius v. Donauwind und der dreifachen Hengstmutter Corvina v. Boris. In neun Decksaisons hinterließ er gut verkäufliche Reitpferde und eine Reihe patenter Stutenmodelle. Seine besten Töchter dürften die Reservesiegerin der 3. Bayerischen Landesschau, Kornernte (a.d. Kornweihe), und die Siegerstute der 4. Bayerischen Landesschau, Lillemor (a.d. Larthi), sein. Es ist sehr zu bedauern, dass seine  Söhne Kornfink (a.d. Kornweihe) und Koree (a.d. Kopeke) beide den Weg "über den großen Teich" antraten.

Cornelius

Foto: Werner Ernst

Cornelius ging Anfang 1980 nach Österreich. Seinen Platz in Nannhofen nahm bis 1996 der großlinige, noble Dunkelfuchs Polarwind v. Persaldo und der zweifachen Hengstmutter Parole v. Doktryner ox ein, der im Holsteinischen bereits Zuchterfolge aufweisen konnte. Seine eigene hervorragende Leistungsprüfung in Medingen bestätigte er mit überaus reitpointierter Nachzucht. Auch von diesem Hengst wirken zwei Söhne in den USA; in Nannhofen erwies er sich eher als "Damenschneider".
Polarwind hat ein mehr als erlesenes Pedigree aufzuweisen, väterlicherseits stechen der "Reformator der bayerischen Warmblutzucht", Komet, und seine legendäre Mutter Kokette sowie die DLG-Siegerstute Perpetua hervor, mütterlicherseits die als Vollendung des Edelpferdes geltende Hauptgestütsstute Polarfahrt. Nicht umsonst erhielt er auf der NORLA 1978 einen Ia-Preis.
Seinen Kindern gab Polarwind viel Rahmen mit, er verankerte hohe Rittigkeitswerte in der Nannhofener Stutenherde. Dass seine Nachkommen bei aller Größe und allem Reitpferdekomfort einen positiven arabischen Überguss erhielten, versüßte den Zuchteinsatz dieses wertvollen Dunkelfuchses noch zusätzlich.

Polarwind

Foto: Hengstbuch

Von 1984 bis zu seinem Tod 1994 gelangte außerdem der selbstgezogene Rapphengst Waldzauber v. Kassio u.d. Waldlicht v. Pindar xx zum Einsatz. Mit seiner seltenen Blutkombination Abglanz/Semper Idem hatte er sich zuvor in Rantzau, in Belgien und im Rheinland bewährt. Söhne wie Arsenal, Dorado, Chopin, Pankok und Pinot sowie fast 40 eingetragene Töchter, darunter Spitzenstuten wie Sabrina, Farida, Saga und Glocke, charakterisieren die züchterische Leistung dieses Nannhofener Zuchtprodukts.
Erhard Schulte bezeichnete Waldzauber als einen der wertvollsten Erhalterhengste der Gesamtzucht, er stellt ihn in eine Reihe mit in der Gurdzener Rappherde des Hauptgestüts Trakehnen gezogenen Beschälern wie Ararad, Thronhüter und Neander.
Eine Reihe seiner in der Nannhofener Zeit gezogenen Kinder sind im Sport recht erfolgreich. Genannt seien hier nur Komedo (a.d. Kornernte) und Escado, die beide Dressurprüfungen bis zur Klasse S und höher mit Siegen und Platzierungen absolviert haben.

Waldzauber

Foto: Alexandra Gräfin Dohna

Die durch Kassio, Cornelius, Polarwind und Waldzauber stark konsolidierte Stutengrundlage machte die Verwendung eines Nachfolgehengstes aus der Spitzengruppe, möglichst mit Hauptgestüts-Blutführung, wegen zu naher Verwandtschaft außerordentlich schwierig. Aus diesem Grund fand zwischen 1989 und 1996 der braune Frescobaldi xx Aufstellung. Der 1972 geborene Vollblüter v. Pentathlon xx war lange Landbeschäler in Celle gewesen. Sein GAG von 95,5 kg und ein zweiter Platz im Deutschen Derby, verbunden mit großer Leistungsbereitschaft und bestem Charakter, schienen ihn für eine Leistungsvererbung zu prädestinieren. In Hannover hinterließ er einige Dressurpferde mittlerer Klasse und einen sehr guten Sohn in Halbblutrennen. In Nannhofen machte er mit typvoller, edler Nachzucht auf sich aufmerksam. Obwohl selbst nicht der Größte, vererbte er groß genug und zum Teil sehr großrahmig.
Leider blieb ihm ein männlicher Nachfolger in der Zucht verwehrt, doch eine Reihe eingetragener Töchter gibt seine wertvollen Gene in der Zucht weiter. Herausragend aus seiner Nannhofener Zeit ist das Dressurpferd Lafredo (a.d. Laudatio v. Polarwind), der unter Martina Hertwig Erfolge bis zu Prüfungen der Kategorie A aufweist. Vielseitig eingesetzt wird Lafredos ein Jahr jüngere Vollschwester Luna-L, die unter Martina Utz auf Turnierplätzen im "Ländle" unterwegs ist.

Frescobaldi xx

Foto: Sabine Burre

Nach dem Tod von Waldzauber kam Ende 1994 von der Körung in Neumünster der braune Baluster ins Gestüt. Der von der Hessischen Hausstiftung in Panker gezogene letzte Sohn des selbst bis zur Dressurklasse S ausgebildeten Radom v. Mahagoni - Kassius entstammte der alten, hocherfolgreichen Hauptgestütsfamilie der Blitzrot. Seine Mutter, die Prämien- und Staatsprämienstute Baroness X v. Baron - Burnus AA - Pindar xx, brachte u.a. den unter Schweizer Flagge international bis Dressur Klasse S erfolgreichen gekörten Belsazar und die Mutter des Hengstes Bellheim. Sie ist Halbschwester zum erfolgreichen Höremer Dressurpferd und Beschäler Benz sowie Halbschwester der Mutter von Buddenbrock.
Leider waren Baluster, der bei der Leistungsprüfung mit der Charakternote 10 versehen wurde und dessen Leistungsbereitschaft mit einer glatten 9 bewertet wurde, nur zwei Decksaisons vergönnt, bevor er an den Folgen einer Blinddarmkolik einging. Zwei seiner Töchter erhalten bzw. erhielten sein Blut in der Nannhofener Stutenherde.

Baluster

Foto: Hengstbuch

Sportlich geprägt war nicht nur das Pedigree, sondern auch die Eigenleistung dieses noblen Beschälers, der auf der Körung 1998 (damals unter dem Namen Heaven's Door) für das Gestüt Nannhofen erworben wurde. Der international erfolgreich Dressurhengst Partout (Anky van Grunsven) als Vater, der Stempelhengst der modernen Trakehner Sportpferdezucht, Consul, als Großvater und die mütterliche Familie, aus der u.a. der ebenfalls im internationalen Dressursport hocherfolgreiche Chronos hervorging, wiesen ganz eindeutig in eine Richtung: die großen Vierecke dieser Welt.
Halbgott ging nach erfolgreich abgelegter Leistungsprüfung in den Ausbildungsstall Armbrust und wurde dort weiter gefördert. Eine beispiellose Karriere nahm damit ihren Ausgang: Zweimaliger Bundeschampionats-Teilnehmer, kontinuierlich sich steigernde Erfolge in Dressurprüfungen. 2004 heimste der Braune seine ersten S-Erfolge ein - und Ende des Jahres wurde Halbgott an einen US-amerikanischen Interessenten verkauft.
So erfreulich diese sportliche Leistung des Hengstes auch war und ist - in Nannhofen sieht man das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Immerhin hinterließ der Hengst deshalb nur einen einzigen Jahrgang im Gestüt ...

Halbgott

Foto: K. Schweiger

Seit dem Jahr 2000 steht der Vererber Polarpunkt als Hauptbeschäler in Nannhofen. Er ist seit seiner Zeit im Gestüt Hörem Eliteanwärter, eint als Sohn des Arogno und Enkel des Habicht Schick und Leistung in seinen Adern und hat sich mit Söhnen wie Elfengeist, Checkpoint, Glenn Livit F und Opernball sowie den gekörten Leistungspferden Showtime und Peach Pit (Hann.) ebenso einen Namen gemacht wie mit Siegerstuten à la Evita, Gute Reise und Schöne Symphonie.

Foto: Martin Seitz

Polarpunkt

Foto: Martin Seitz

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